Gesundheitsthemen im Internet
Dr. Google – Experte oder Scharlatan?
Der mit Abstand häufigste Weg zu einer Information im Internet führt auch beim Thema Gesundheit über Google. Welche Treffer dabei präsentiert werden, können Sie einfach selbst ausprobieren. Gibt man zum Beispiel Hepatitis ein, so tauchen unter den ersten zehn von insgesamt ca. 77.000.000 Seiten deutschsprachige Portalseiten wie Wikipedia, Gesundheitsinformation (IQWiG) und NetDoktor auf, aber auch die Informationsseiten von zwei Pharmafirmen.
Wer nutzt die Informationen?
Die Bertelsmann-Stiftung hat das Gesundheitssurfen der Deutschen in einer Studie von 2018 untersucht. DemD nach informiert sich die Hälfte der Deutschen mindestens einmal im Monat über Gesundheitsthemen im Internet. 16 Prozent tun dies sogar mindestens einmal pro Woche. Dabei werden Wikipedia und andere Online-Lexika am häufigsten genutzt, mit einigem Abstand folgen Websites der Krankenkassen und Gesundheitsportale wie NetDoktor, Onmeda oder gesundheit.de.
In dieser Befragung wurde auch die Zufriedenheit der Nutzer abgefragt. 52 Prozent sind mit den Ergebnissen ihrer Suche „meistens oder immer zufrieden“, zusätzliche 44 Prozent zumindest „teils, teils zufrieden“ – zusammen 96 Prozent. Fast jeder Zweite (49 Prozent) sieht die Webrecherche als gute Ergänzung zu den Aussagen des Arztes.
65 Prozent der Befragten geben allerdings auch an, dass es ihnen schwerfällt, vertrauenswürdige Informationen zu erkennen. Kein Wunder. Denn wer der Anbieter einer Website ist, lässt sich meistens weder aus dem Domainnamen noch aus dem Aussehen der Startseite erkennen. Wer es genau wissen möchte, sollte auf jeden Fall einen Blick in das Impressum werfen. So erfährt man z.B., dass die generisch klingende Website impfen.de von einer Pharmafirma betrieben wird. Das muss kein k.o.-Kriterium sein. Pharma-Sites können durchaus hochwertige Informationen bieten und sind in der Regel exzellent aufbereitet. Aber sie haben nicht allein das Ziel zu informieren, sondern auch zu verkaufen. Und das muss man wissen.
Warum wird im Netz gesucht?
Aus welchen Motiven suchen Patienten im Internet nach Gesundheitsinformationen? Informative und emotionale Gründe halten sich die Waage.
In der Befragung der Bertelsmann-Stiftung geben 73 Prozent der Befragten an, sich über Gesundheitsrisiken und Krankheiten allgemein besser informieren zu wollen. Daneben geht es um Hilfen für eine gesündere Lebensweise oder ein akutes Gesundheitsproblem. In Tiefeninterviews hat man schließlich herausgefunden, dass viele Patienten nicht nur Informationen suchen, sondern dass psychologische Komponenten – wie Trost, Zuspruch oder Beruhigung – genauso wichtig sind (siehe Abbildung oben).
Der Report schreibt dazu wörtlich: „Wenn Patienten sich zum Beispiel von ihrem behandelnden Arzt ungenügend informiert und auch emotional im Stich gelassen fühlen, dann kann das Dr. Google kompensieren. Insbesondere nach der Diagnose einer schweren Erkrankung ziehen Patienten, wie die Interviews zeigen, das Internet zurate. Sie wollen Halt und Hilfe, um den Befund zu verarbeiten. Foren und Netzwerke mit Gleichgesinnten bieten Trost und Kraft.“
Der größte Vorteil von Dr. Google: Er hat unbegrenzt Zeit, ist immer und überall erreichbar, lässt einen nie allein. Und gerade wegen des letzten Punktes tauschen sich viele Patienten auch gerne mit anderen in Foren zu verschiedenen Gesundheitsthemen aus. Hier besteht allerdings tatsächlich eine erhebliche Gefahr für Fehlinformationen. Die Aussagen in den Communities sind subjektiv und nicht auf medizinische Richtigkeit geprüft. Auch das müssen Patienten wissen.
Wie erkenne ich seriöse Seiten?
Das Gegenteil von subjektiv heißt in der Medizin evidenzbasiert und am zuverlässigsten sind Gesundheitsseiten, die evidenzbasierte Informationen zur Verfügung stellen. Durch die Pandemie hat die Website des Robert Koch-Instituts eine hohe Bekanntheit erreicht, aber auch die Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), gesundheitsinformation.de (IQWiG) und www.patienteninformation.de (gemeinsames Portal von Bundesärztekammer und KBV) sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Hier stehen nur geprüfte medizinische Informationen, die durch Studien belegt sind. Weitere qualitätsgeprüfte Angebote finden sich bei den Krankenkassen wie der AOK.
Wer dennoch via Google im Internet sucht, etwa weil man bei sehr speziellen Fragen sonst nicht fündig geworden ist, sollte sich an den Transparenzkriterien orientieren, die das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem e.V. (afgis) entwickelt hat. Dazu gehört unter anderem Transparenz über:
- den Anbieter: Wer steht hinter diesem Internet-Angebot? Eine Privatperson, ein Unternehmen oder eine Fachgesellschaft? Schauen Sie ins Impressum.
- die Zielgruppe: Richtet sich die Information an Wissenschaftler oder an die Verbraucher? Es sollte deutlich werden, ob es sich um Sach- oder Werbeinhalte handelt und was den Anbieter dieser Informationen bewegt. Das verlangt auch das Heilmittelwerbegesetz.
- die Autoren: Wer hat die Informationen verfasst und welche Quellen wurden benutzt? Haben wir es mit der Einschätzung einzelner Personen zu tun oder mit wissenschaftlich fundierten Studienergebnissen?
- die Aktualität der Daten: Das Wissen von vor zehn Jahren kann längst veraltet sein. Gesundheitsinformationen müssen sich deshalb immer am aktuellen Forschungsstand orientieren.
Das Afgis-Siegel ist ein guter Anhaltspunkt für seriöse Inhalte.
Webtipps
www.bertelsmann-stiftung.de
Suchbegriff „Dr. Google“
Wie umgehen mit falschen Informationen?
Das Internet informiert Patienten und macht sie damit entscheidungskompetenter. Die meisten Patienten informieren sich zwar im Internet, reden darüber aber nicht in der Praxis, um die Autorität des Arztes nicht infrage zu stellen. Das kann schnell zu einer schwierigen Kommunikationssituation führen, vor allem, wenn die Informationen aus dem Netz und die Sicht des Arztes nicht übereinstimmen. Deshalb ist es hilfreich nachzufragen, ob sich der Patient im Internet informiert hat. Manche Patienten tun das ungefragt kund – und trumpfen gerne mit ihrem Wissen gegenüber Arzt und Praxisteam auf. Solchen „Besserwissern“ geht es in der Regel vor allem um Anerkennung, sie betrachten Kritik an der von ihnen vorgetragenen Sachinformation sofort auch als persönliche Kritik. Das macht den Umgang schwierig.
Man sollte daher im Gespräch mit diesen Patienten selbst groben Unfug nicht gleich Unfug nennen, sondern eher versuchen, durch geschicktes Fragen Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Oft kann sich der Patient nur ungenau an Details erinnern – dann sollte man ihn freundlich auffordern, seine Informationen doch beim nächsten Mal bitte mitzubringen..