Patientengerecht gestalten
Das Wartezimmer optimieren
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Eine Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, wie viel Zeit Patienten im Wartebereich einer Praxis verbringen. Bei 88 Prozent waren es mindestens 15 Minuten, 54 Prozent warteten im Schnitt sogar 30 Minuten oder länger. Solche Wartezeiten sind selbst bei gutem Terminmanagement kaum zu vermeiden, denn manche Patienten kommen früher als geplant, andere später und die tatsächlichen oder empfundenen „Notfälle“ stehen ganz ohne Anmeldung in der Praxis.
In regelmäßigen Abständen gehört das Thema Wartezeit deshalb auf die Agenda einer Teambesprechung und dann sollte offen darüber geredet werden, was gut läuft und wo Sie oder die Praxisleitung noch Verbesserungspotenzial sehen. Das gilt auch für die Gestaltung des Wartezimmers. Hier kann eine Atmosphäre geschaffen werden, die es den Patientinnen und Patienten erlaubt, vor dem Arztgespräch zu entspannen. Auch wenn die räumlichen Gegebenheiten der Praxisräume eher in Stein gemeißelt sind, kann man durch kleine Veränderungen oft große Verbesserungen erreichen.
Hell und freundlich eingerichtet
Das Wartezimmer sollte hell sein, ohne dass direktes Licht die Patienten blenden kann. Farben werden oft nur unterbewusst wahrgenommen, tragen aber zum Gesamteindruck bei. Weiß ist hell und offen, aber auch irgendwie steril. Spätestens bei der nächsten Renovierung sollte die Frage deshalb neu diskutiert werden. Hellgrau und Beige wirken wärmer, sind dezent und neutral. Als Farbakzente können dann die Praxisfarben aufgegriffen werden. Natürliche Materialien wie Holz und Kork unterstützen den Wohlfühlcharakter. Dazu passen Naturdüfte und Naturfotografien, sogar Naturgeräusche anstelle von leiser Musik können durchaus ein mögliches Wohlfühlelement sein.
Das wichtigste Utensil im Wartezimmer ist die Bestuhlung. Hier kann eine Auswahl für die Patienten Vorteile haben. Stühle mit Armlehne sind bequem, schaffen genügend Distanz zum Nachbarn und werden von älteren Menschen bevorzugt, eignen sich beispielsweise aber nicht für Patienten mit Adipositas. Bei Stühlen ohne Armlehne sollte sichergestellt sein, dass mindestens 35 Zentimeter Abstand zwischen den Stühlen ist. Während der Pandemie sind viele Praxen dazu übergegangen, die Anzahl der Sitzgelegenheiten im Wartebereich zugunsten eines größeren Abstands zu verringern. Und sind dabei geblieben, weil die Patienten das gut fanden (und finden). Rund um die Garderobe und hinter die Tür gehören generell keine Stühle.
Für die Dekoration der Wartezimmerwände gibt es viele Möglichkeiten. Fotos oder Drucke sollten in Farbgebung und Motiv nicht bunt zusammengewürfelt sein, sondern einem einheitlichen Konzept folgen. Fast automatisch passiert das, wenn man diese Fläche lokalen Künstlern für die Ausstellung ihrer Gemälde überlässt. Ist der Künstler selbst Patient oder hat Bekannte im Patientenkreis, fördert das zudem die Patientenbindung. Aber auch dann ist wichtig: Die Betrachtung der Bilder sollte positive Gefühle bei den Wartenden auslösen.
Bereiche auslagern
Als außerordentlich praktisch hat sich ein Vorwartebereich für Kurzanlässe erwiesen, etwa eine kleine Sitzmöglichkeit in der Nähe des Empfangs. Wer nur ein Rezept oder eine Bescheinigung braucht, gehört nicht ins Wartezimmer, sondern in diesen separaten Vorwartebereich. Wenn die räumlichen Gegebenheiten es erlauben, ist auch eine Zwischenwartezone praktisch. Und wenn man ernsthaft darüber nachdenkt, ist das in den meisten Fällen auch umsetzbar.
Idealerweise ist dann zu den Stoßzeiten eine Kollegin dafür zuständig, neu ankommende Patienten zu empfangen, und eine zweite Kollegin betreut die Patienten mit kurzfristigen Anliegen in der Vorwartezone. Außerhalb der Stoßzeiten oder in kleinen Praxen können beide Aufgaben auch durch eine MFA erledigt werden.
Mit der Trennung von Vorwartebereich und Wartezimmer werden Patienten mit „wichtigem“ und „unwichtigem“ Anlass unterschiedlich bedient und im Wartezimmer kommt nicht das Gefühl der Ungerechtigkeit auf, weil ein Patient, der später kam, früher aufgerufen wird. Dass er nur eine Bescheinigung abholt, wissen die anderen Patienten ja nicht.
Unterhalten und informieren
Sie können die anfallende Wartezeit auch nutzen, um Patienten zu informieren oder Informationen von ihnen abzufragen. Zum Beispiel können Sie eine Patienteninfo oder einen Anamnesefragebogen auslegen. Auch mit Informationspostern können Sie arbeiten, etwa auf Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen hinweisen. Bei den Kassen oder KVen können Sie Poster kostenfrei anfordern.
Das Auslegen von Zeitschriften wird seit der Pandemie kontrovers diskutiert, und die Praxen handeln in dieser Richtung auch sehr unterschiedlich – wie die Beiträge im Kasten auf der rechten Seite zeigen. Digitalen und gleichzeitig Pandemie-konformen Mehrwert erhalten Patientinnen und Patienten mit einem freien WLAN-Zugang, denn der ermöglicht ihnen einen Internetzugang mit ihrem eigenen Smartphone. Dieser Zugang muss natürlich vom Praxisnetz getrennt sein, das kann Ihr IT-Dienstleister entsprechend einrichten. Damit Sie nicht ständig nach dem Passwort gefragt werden, ist es hilfreich, dieses gut sichtbar im Wartebereich anzubringen.
Informationen in eigener Sache
Zu guter Letzt können Sie das Wartezimmer auch für das eigene Praxismarketing nutzen. Hier gehört jede Art von Praxisbesonderheiten hin – etwa Impfsprechstunden, besondere Öffnungszeiten oder Videosprechstunden zur Verlaufskontrolle. Sie können auch Ihr Engagement für das Qualitätsmanagement darstellen oder Ihre Patientinnen und Patienten über das Beschwerdemanagement der Praxis informieren. Eine Vorstellung des Praxisteams mit Bild ist zumindest in größeren Praxen immer eine gute Idee. Neben Broschüren und Plakaten kann auch der Bildschirm ein effektives Medium sein, um die Patienten mit entsprechenden Präsentationen zu informieren.
Leser-Tipps
Im Leser-Dialog hatten wir letzten Monat nach Tipps zur Gestaltung des Wartebereichs gefragt. Und auch dazu, welche Erfahrungen Sie während der Pandemie-Zeit mit der Belegung und Gestaltung des Wartebereichs gemacht haben. Hier ein paar Antworten:
- Das Team der Hausarztpraxis Münster-Mauritz schreibt: „In unserem Wartebereich gibt es ein großes Wandbild von der Nordsee. Das weckt bei vielen Patienten Urlaubserinnerungen und lädt zum Träumen ein. Für die Patienten wird die die Wartezeit dadurch gefühlt verkürzt.“
- Ganz ähnlich sieht das Birgit Rendsburger: „Ein Wartebereich sollte warm und angenehm für die Wartenden gestaltet werden. Kalkweiße Wände waren gestern. Trotz Corona wirken Zeitschriften, die Wartezeit verkürzen, Wunder. Auch interessante Flyer und Informationsbroschüren sind interessant für wartende Patienten.“ Auch über die Platzierung des Desinfektionsmittels hat man sich dort Gedanken gemacht: „Oft sind die Spender im Eingangsbereich. Patienten haben im Warteraum jedoch mehr Zeit, sich die Hände zu desinfizieren, nachdem sie die Jacken ausgezogen haben.“
- Ganz anders ist der Umgang mit Lesematerial in der Praxis von Manuela Jecht: „Zeitungen oder Bücher sind bei uns aus hygienschen Gründen tabu. Ein Fernseher an der Wand, der das Team, den Ablauf des Praxisalltags sowie die Leistungen der Praxis vorstellt, ist eine gelungene Maßnahme.“
- Und Marlene Egen legt sich inhaltlich fest: „Informationen über gesundheitliche Fragestellungen sowie frühzeitige Informationen über Urlaubszeiten“ stehen hier bei der Patientenkommunikation im Vordergrund.